Das konjunkturelle Klima im Bezirk der IHK Karlsruhe hat sich im Herbst 2022 deutlich abgekühlt. Im Branchendurchschnitt ist der IHK-Konjunkturklimaindex, der die Beurteilung der Geschäftslage und der Geschäftserwartungen in einem Wert darstellt, von 116 Indexpunkten im Frühsommer 2022 auf 98 Punkte im Herbst 2022 gesunken und damit auf dem tiefsten Stand nach Beginn der Corona-Krise.
„Während die aktuelle Geschäftslage überwiegend noch von den vorhandenen Auftragspolstern einigermaßen stabilisiert wird, sind die Geschäftserwartungen der regionalen Wirtschaft an die kommenden zwölf Monate massiv eingebrochen. Nur im Krisenjahr 2009 fielen sie noch schlechter aus,“ so IHK-Präsident Wolfgang Grenke. Infolge der wachsenden Unsicherheiten und verringerter finanzieller Spielräume durch die massiven Preissprünge bei Vorprodukten, Energie und Rohstoffen kommen Ausgaben für Investitionen vielerorts auf den Prüfstand. Vor diesem Hintergrund sind die Unternehmen mit weiteren Stellen zurückhaltend, „auch der nach wie vor eklatante Fachkräftemangel stellt die Betriebe zusätzlich vor große Herausforderungen“, betont Grenke.
TOP-Risiko sind die hohen Energiepreise
TOP-Risiko aus unternehmerischer Sicht sind die hohen Energiepreise. Grenke warnt: „Diese werden auf längere Sicht hoch sein und damit als besondere Belastung bestehen bleiben. Die eigentliche Kostenlawine dürfte die Unternehmen erst in den nächsten Monaten erfassen, wenn langfristige Gas- und Stromverträge auslaufen und neu verhandelt werden müssen. Wir brauchen daher unbedingt den schnellen Ausbau von erneuerbaren Energien, der Stromnetze und der Gas- und Wasserstoffinfrastruktur als langfristig sichernde Maßnahme.“
Im Branchendurchschnitt hat die Zufriedenheit mit der Geschäftslage im Herbst 2022 zwar abgenommen, in allen Wirtschaftsbereichen überwiegen jedoch weiterhin die positiven Meldungen. 42 Prozent der Unternehmen berichten von (noch) gut laufenden Geschäften (Frühsommer 2022: 48 Prozent). Weitere 47 Prozent der Betriebe melden eine zufriedenstellende Gesamtsituation. Der Anteil der Unternehmen mit kritischem Geschäftsverlauf stagniert zum dritten Mal in Folge bei elf Prozent. Somit ist der Geschäftslagesaldo um sechs Punkte auf aktuell 31 Punkte zurückgegangen. Die großen Wirtschaftsbereiche befinden sich trotz des konjunkturellen Gegenwindes bei unterschiedlicher Entwicklung per Saldo weiterhin im Plus. Dabei hat gegenüber dem Frühsommer insbesondere in der Industrie und dem Großhandel die Zufriedenheit mit der Gesamtsituation nachgelassen. Eine unverändert gute Geschäftsentwicklung melden der Dienstleistungssektor und der Einzelhandel. Im Gastgewerbe befindet sich der Lagesaldo zum ersten Mal seit Ausbruch der Corona-Krise wieder im positiven Bereich.
Geschäftserwartungen brechen ein
Im Herbst 2022 zeigen sich die Unternehmen so pessimistisch wie seit dem Krisenjahr 2009 nicht mehr. Noch nicht einmal im Lockdown der Corona-Pandemie war der Geschäftserwartungssaldo derart tief gefallen. Bereits im Frühsommer hatte die Skepsis in den Betrieben zugenommen. Nun ist der Erwartungssaldo im Branchendurchschnitt um weitere 25 Punkte auf minus 27 Punkte im Herbst abgestürzt. Der Anteil der Optimisten ist von 23 Prozent auf 12 Prozent gefallen. Etwa die Hälfte der Betriebe geht von einem konstanten Geschäftsverlauf aus. Gleichzeitig ist der Anteil der Skeptiker um 14 Prozentpunkte auf 39 Prozent hochgesprungen.
Der Pessimismus zieht sich mit deutlicher Intensität durch alle Wirtschaftsbereiche. Besonders massiv ist die Diskrepanz zwischen Lage und Erwartungen im Gastgewerbe, dem Einzelhandel und der Bauindustrie. Im Durchschnitt aller Wirtschaftszweige stehen die extrem steigenden Energiepreise ganz oben auf der Skala potenzieller Geschäftsrisiken, gefolgt vom Fachkräftemangel und einer angesichts der Rekordinflation, der gedrückten Konsumlaune und der Investitionszurückhaltung der Unternehmen einbrechenden Inlandsnachfrage.
Unternehmen versuchen gegenzusteuern
Mit Verbesserungen beim Energiemanagement wollen im Branchendurchschnitt 54 Prozent der Unternehmen gegensteuern. Vorreiter sind hier die Industrie (68 Prozent) und der Großhandel (57 Prozent). Zudem versucht jeder zweite Betrieb, die höheren Kosten an die Kunden weiterzugeben. Am besten gelingt dies wiederum in der Industrie, da langfristig orientierte Kunden ihre Lieferanten ungern wechseln. Im Einzelhandel und Dienstleistungsbereich sind Preiserhöhungen eher schwieriger durchzusetzen. Ein deutlich geringerer Anteil der Unternehmen hat die Möglichkeit, als Reaktion auf die hohen Kosten auf andere Energieträger auszuweichen (19 Prozent). Acht Prozent der energieintensiven Industriebetriebe denken angesichts der hohen Kostenbelastungen darüber nach, die Produktion (und damit auch Arbeitsplätze) aus Deutschland ins Ausland zu verlagern.
Zurückhaltende Personalplanungen
Die verschlechterten Konjunkturaussichten hinterlassen jedoch Spuren in den Personalplänen. Im Herbst 2022 rechnet im Branchendurchschnitt nur noch jedes fünfte Unternehmen damit, die Zahl der Beschäftigten in den kommenden zwölf Monaten aufzustocken. Der Anteil der Betriebe, die eine Reduzierung ihrer Personalkapazitäten ins Auge fassen, ist mittlerweile ebenso hoch. Hinzu kommt der eklatante Fachkräftemangel: Sechs von zehn Unternehmen können derzeit offene Stellen nicht besetzen.
Wenig Anreiz für Investitionen
Das Investitionsklima zeigt sich im Herbst 2022 frostig. Der Investitionssaldo ist auf aktuell minus 19 Punkte abgesackt. Nach derzeitigem Planungsstand wollen 21 Prozent der Betriebe in den kommenden zwölf Monaten mehr investieren. 39 Prozent der Unternehmen möchten die Investitionsausgaben in der nächsten Zeit konstant halten. 25 Prozent der Betriebe wollen ihre Investitionsbudgets (weiter) reduzieren, 15 Prozent werden komplett auf Investitionen verzichten. Die geplanten Vorhaben dienen nach wie vor hauptsächlich der Ersatzbeschaffung (63 Prozent) und – aktuell mit etwas nachlassender Relevanz - dem Voranbringen der unternehmensinternen Digitalisierung (52 Prozent; Frühsommer 2022: 58 Prozent). Dritthäufigstes Investitionsmotiv sind der Umweltschutz und Energieeffizienzmaßnahmen (44 Prozent nach 37 Prozent im Frühsommer 2022), gefolgt von Produkt- oder Prozessinnovationen (39 Prozent). Ein knappes Drittel der Betriebe erwägt weitere Rationalisierungsmaßnahmen, 28 Prozent planen Investitionen, die mit der Erweiterung des Geschäftsbetriebes einhergehen. Mehrfachnennungen waren möglich.
Weitere Informationen finden Sie unter Konjunkturumfrage der IHK Karlsruhe im Herbst - IHK Karlsruhe